A Carnevale ogni scherzo vale

In Rom gab es über die Jahrhunderte hinweg die verschiedensten Karnevalsbräuche – wie man auf der wunderbaren Internet-Seite Virtual Roma von Andrea Pollett nachlesen kann. Charles Dickens, der nicht nur Romane geschrieben hat, sonden sich auch als Reiseschriftsteller betätigte, schreibt 1846 in Bilder aus Italien (Kap. 11) über den römischen Karneval :

„Aber wenn die Szene heiter und fröhlich und menschengedrängt am vorletzten Tage ist, so erreicht sie am letzten Tag einen solchen Höhepunkt bunten Glanzes, lärmenden Lebens und mutwilligen Tobens, daß die bloße Erinnerung daran mich jetzt noch schwindeln macht. Dieselben Scherze, noch erhöht durch den größeren Eifer, mit dem man sie betreibt, werden bis zur selben Stunde fortgesetzt. Das Rennen wird wiederholt, die Kanonen abgefeuert, das Geschrei und Händeklatschen der Menge ertönt wieder; die Kanonen donnern von neuem, das Wettrennen ist vorüber, und die Preise sind gewonnen. Aber die Wagen – ganz bedeckt mit Zuckerwerk und außen so staubig und mehlweiß, daß man sie kaum noch als dieselben erkennt, die man vor drei Stunden gesehen hat – drängen sich, anstatt sich nach allen Richtungen zu verlieren, in den Corso, wo sie bald zu einer sich kaum bewegenden Masse zusammengeschoben sind. Denn das Spiel der Moccoletti, die letzte tolle Lust des Karnevals, naht jetzt, und Verkäufer von kleinen Kerzen schreien überall laut: »Moccoli, moccoli! ecco moccoli!« – ein neuer Ton im Tumult, der ganz und gar den andern »ecco fiori! ecco fior-r-r!« verwischt, der den ganzen Tag über vernommen wurde.
Sobald die bunten Decken und Teppiche in der Abenddämmerung in ein einförmiges Grau sich kleiden, fangen Lichter an zu funkeln, hier und da in den Fenstern, auf den Häusern, in den Balkonen, in den Wagen, in den Händen der zu Fuße Gehenden: zuerst sehr wenig, dann mehr und mehr, bis die ganze lange Straße ein feuriger Schimmer ist. Jetzt ist jeder Anwesende nur mit einem Streben beschäftigt, nämlich das Licht anderer Leute auszulöschen und sein eigenes brennend zu erhalten, und jedermann, Mann, Weib oder Kind, Herr oder Dame, Prinz oder Bauer, Eingeborner oder Fremder, jauchzt und schreit und brüllt unaufhörlich als ein Spottwort für den Unterliegenden: »Senza moccolo, senza moccolo!« (Ohne Licht, ohne Licht!), bis man nichts mehr vernimmt als einen riesenmäßigen Chor dieser zwei Worte, mit lautem Gelächter vermischt.
Das Schauspiel ist eines der außerordentlichsten, das man sich denken kann. Wagen fahren langsam vorüber, und alles steht auf den Sitzen oder auf dem Bock und hält die Lichter in Armeslänge ausgestreckt, der größeren Sicherheit wegen; einige in Papierschirmen, andere mit einem Bündel unbeschützter kleiner Kerzen, die alle brennen, einige mit winzigen Lichtern; Männer zu Fuße, die zwischen den Rädern herumkriechen und auf eine günstige Gelegenheit lauern, um über ein besonderes Licht herzufallen und es auszulöschen. Andere klettern in den Wagen, um sich ihrer mit Gewalt zu bemächtigen, andere jagen einen unglücklichen Wanderer im Kreis um seinen eigenen Wagen, um das Licht, welches er erbettelt oder gestohlen hat, auszulöschen, ehe er wieder zu seiner Gesellschaft gelangen und ihre Kerzen anzünden kann; andere wieder stehen mit abgenommenem Hut an einem Kutschenschlag und bitten demütig eine gutherzige Dame, ihnen Feuer für ihre Zigarre zu geben, und wenn die Dame noch überlegt, ob sie es tun soll oder nicht, blasen sie das Licht aus, welches sie vorsichtig mit der kleinen Hand schützt; andere an den Fenstern, die mit Angeln und Haken nach Kerzen fischen, oder lange Weidenruten mit Tüchern herablassen und geschickt das Licht auswehen, wenn der Träger auf der Höhe seines Triumphes zu sein glaubt; andere warten ihre Zeit in Winkeln ab, mit ungeheuern Lichtlöschern wie Hellebarden, und fallen plötzlich über flammende Fackeln her; andere schicken einen Regen von Orangen und Sträußen auf eine hartnäckige kleine Laterne oder entfachen einen regelrechten Sturm auf eine Pyramide von Menschen, die in ihrer Mitte einen Mann stützen, der über seinem Kopf ein einziges schwaches Lichtchen trägt, mit dem er allen trotzt. »Senza moccolo, senza moccolo!« Schöne Frauen, in Kutschen aufrecht stehend, spöttisch auf verlöschte Lichter zeigend und im Vorüberfahren in die Hände klatschend und rufend: »Senza moccolo, senza moccolo!« Niedrige Balkone voll anmutiger Gesichter und bunter Kleider, im Kampfe begriffen mit Leuten, die von der Straße herauf stürmen; einige drängen sie zurück, wie sie herauf klimmen, andere beugen sich über, wieder andere treten schüchtern zurück – liebliche Arme und Busen, anmutige Gestalten – glänzende Lichter, wehende, rauschende Kleider. »Senza moccolo! senza moccolo! senza moc-co-lo-o-o!« bis in der wildesten Wut des Geschreis und im tollsten Wahnsinn der Lust das Ave Maria von den Kirchtürmen läutet und der Karneval in einem Augenblick vorüber ist – ausgelöscht wie eine Kerze mit einem Hauch.“

Wer Jane Chatterton gelesen hat, dem dürfte dieser Moccoli-Brauch nicht ganz unbekannt vorkommen …

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